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Auf dem letzten Drücker

Gerade noch rechtzeitig vor einer längeren Regenperiode konnte ich gestern etwa ein Dutzend Bäume fällen. Danach, vermute ich, wird das grosse Spriessen im Wald das Bäumefällen verhindern. Aber nicht rechtzeitig konnte ich mein Tagwerk abschliessen. Die einbrechende Dunkelheit verhinderte, dass ich die Piste noch freilegen konnte. Jetzt warten noch etwa acht Ster Holz am Boden, verarbeitet und ins Trockene gebracht zu werden. Ein Grund dafür, dass ich immer wieder auf mein Programm in Verzug gerate, ist die mangelnde Erfahrung, Theorie zügig in Praxis umzusetzen. Der Standardablauf von Keil- und Trennschnitt muss immer wieder am einzelnen Baum angepasst werden. Sowieso sind die Eichen hier meist aus Strunkausschlägen gewachsen. Einzeln sind die Bäume von schwachem Durchmesser und stehen, sich gegenseitig abweisend, schief. Das bringt die Versuchung mit, sie einfach glatt und sogar ohne Keilschnitt abzusägen. Sie fallen dann in der natürlich gewachsenen Richtung. Das geht meist gut. Aber eben nur meistens. Hier wurde mir die Routine des Tages beim letzten zu fällenden Baum zum Verhängnis. Er hatte eben nicht genau die von mir geschätzte Neigung. Beim Fällschnitt hatte ich erwartet, dass er sich langsam zur Fallkerbe hin zu neigen beginne. Aber nicht so. Urplötzlich und kaum sichtbar bewegte er sich in die andere Richtung und verklemmte die Säge. Es blieb mir keine Zeit, das Schwert ganz zurückzuziehen. Ein paar hundert Kilo lasten so auf der Säge. Dabei kommt ein eigenartiges Gefühl auf, plötzlich das wichtigste Arbeitsinstrument zu verlieren. So etwas wie Hilflosigkeit, denn das war mir noch nie passiert. Aber die ganz grundlegenden Kenntnisse und Erfahrungen aus meinem Handholzerkurs sind einfach Gold wert. Die Mittel, um eine Hobelzahnsäge nicht im Fällschnitt einklemmen zu lassen, sind auch hier anwendbar, um das Schwert wieder aus der Umklammerung zu lösen. Motor abgeschraubt und Keile mit heftigen Schlägen eingetrieben: der Baum wurde angehoben und fiel dann auch über die Fallkerbe in die andere, vorgesehene Richtung. Auch wenn der Tagesablauf durch solche Ereignisse jeweils etwas in Verzug gerät - die Freude, das Problem gemeistert zu haben, überwiegt. Und immer möglichst gesund bleiben dabei, ist die Devise.