Über die Gleichheit (II/III)
1 + 1 = 2. Diese Gleichung steht ausser Zweifel. Allerdings, und damit mache ich eine entscheidende Differenzierung, bezieht sich die Gleichheit auf den Wert der auf beiden Seiten des Gleichheitszeichens stehenden Zahlenwerte. Abgesehen vom Wert kann man auf den beiden Seiten des Gleichheitszeichens aber auch eine visuell unterschiedliche Darstellung sehen. Und dann ist das Bild [1 + 1] nicht das selbe wie das Bild [2]. Und auch eine Addition ist nicht dasselbe wie eine ganze Zahl. Schliesslich möchte ich unterschieden haben, ob ich zwei kleine Kartoffeln fürs Raclette haben will oder eine grosse Kartoffel für den baked potato.
Somit muss immer hinterfragt werden können, worauf sich Geschlechtergleichheit bezieht. Wenn man sich dieser Differenzierung verweigert, so landet man unweigerlich bei der Frage, ob man als Kind beim Döckterlen wirklich eine echte Erkenntnis gewann oder man nicht doch einer fatalen Täuschung aufgesessen war. Da ich ohne Schwester aufgewachsen bin, hat sich dieser Erkenntnisgewinnung zwar unter etwas anderen Bedingungen ergeben. Aber das ist dann eine andere Geschichte.
Der Bruder der Gleichheit ist dann der Vergleich. Es würgt mir immer die Luft ab, wenn jemand einwendet, dass man etwas mit dem andern nicht vergleichen könne. Um es kurz zu machen: alles lässt sich mit allem vergleichen. Denn ein Vergleich ist der Untersuch, was an zwei „Dingen“ gleich und was nicht gleich, also unterschiedlich, ist. Da der Untersuch in der alltäglichen Kommunikation allerdings meist nicht stattfinden kann, weil dem Vergleich sofort seine Berechtigung abgesprochen wird, so droht jeder Vergleich zur Fallgrube zu werden. Das kommt nicht von ungefähr. Vor allem Vergleiche, bei denen das Ungleiche scheinbar überwiegt, werden zu einer riskanten Sache.
So ist der Blicktitel „Grüner Nationalrat vergleicht Juden mit Schweinen“ nur der Anfang vom Ende des Jonas Fricker als Nationalrat. Er wollte die Massentierhaltung und die industrielle Verwertung von Schweinen in einer Ratsdebatte mit einem Vergleich anprangern. Das Bild von angelieferten Schweinen vor dem Schlachthof erinnere ihn unweigerlich an die deportierten Juden auf den Rampen von Auschwitz. Trotz Entschuldigung wurde sein Rücktritt vom Nationalratsamt unter dem öffentlichen Druck unvermeidlich. Aber wahrscheinlich wird dieser Vergleich noch lange an seiner Person kleben bleiben.
Ob nun der ganze Vergleich an sich für ihn schädlich war oder nur seine saloppe Zusatzbemerkung, dass die Juden im Gegensatz zu den Schweinen zumindest eine Chance hatten zu entkommen, weiss ich nicht. Aber sicher ist, dass in der folgenden politischen Auseinandersetzung Gleichheit und Vergleich immer wieder unsäglich vermischt und verwechselt wurden. Auch wenn bei ihm als grün-linker Politiker keine rassistische Motivation angenommen werden kann: Die Exponenten der öffentlichen Diskussionskultur machten auf denkfaul und zogen das Register von grün gleich braun.
Wenn man Menschen mit Tieren vergleicht, dann müsste man jedesmal Zeit und Raum haben, den Untersuch von Gleichheit und Unterschiedlichkeit minutiös zu führen. Zuviel haben wir mit manchen Tieren gleich und nur ganz weniges unterscheidet uns. Die Unterscheidungen werden dann aber äusserst stark gewichtet. So muss ich mir gefallen lassen, dass ich 97% der Genetik mit einem der grossen Affen teile. Wenn ich aber den Gesichtseindruck eines Gorillas mit dem von Breel Embolo vergleiche, dann bin ich in der Bredouille. Zu schwierig wird der Untersuch an sich. Zu schwierig wird es, wichtig von unwichtig zu trennen. Zu schnell wird mir unterschoben, Breel Embolo mit einem Gorilla gleichzusetzen, ihn zu erniedrigen. Ich bin und bleibe in der Rassismusfalle sitzen. Der Versuch, einem Sachverhalt näher zu kommen, ist damit vorweg gescheitert.
Ich kann natürlich nicht verkennen, dass es Menschen gibt, die den Vergleich auch missbrauchen. Dann wird er zum Mittel der Erniedrigung. Der Jude wird zum Schwein. Der Schwarze zum Affen. Ich kann mir aber vorstellen, dass ein jedesmal konsequent geführter Diskurs, wie der Vergleich im Detail denn aussehe, diesen Missbrauch verhindern könnte. Denn der missbräuchlich gezogene Vergleich fiele wie eine aufgedeckte Lüge auf den zurück, der sich des unfairen Mittels bedient.
Aber um Vergleiche kommen wir nicht herum, wollen wir die Gleichstellung von Mann und Frau in der Gesellschaft erreichen. Denn wenn die offensichtlichen Unterschiede von Mann und Frau nicht erkannt und akzeptiert werden, dann kann auch nicht klar sein, wo Gleichheit herrschen soll. Für mich ist das einfach nur logisch.
Es gibt allerdings schon die Möglichkeit, sich diesem Unterscheidunguntersuch ganz einfach zu verweigern. Dann gibt es keine Menschenrassen mehr, auch keine Unterarten oder sonst welche Klassifizierungen. Alle sind einfach Menschen mit individuellen Unterschieden. Und da es sicher Menschen gibt, die im Gegensatz zu einigen Tieren nicht auf fünf zählen können, wäre auch die Unterscheidung zwischen Mensch und Tier hinfällig. Wir sind ja alle fühlende Wesen. Auch männlich und weiblich lösen sich auf. Mit ein paar Korrekturen wechselt Mann und Frau ja leicht die Seite. Oder man definiert sich einfach als „neutral“. Und erhebt dann Anspruch darauf, ernst genommen zu werden. Die modernen Humanwissenschaften liefern dazu dann die Erklärungen.
Nachdem ich jeweils die einschlägigen Debatten, Berichte und Abhandlungen in den News und Reportagen verfolgt habe, überkommt mich immer wieder die Lust, mich mit Realitäten zu beschäftigen. Dann heisst es: ab in den Wald.