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Natur pur ?

Da sich der ganze Stadtstaat Singapurs sich als „City in Nature“ sehen will, werden überall mit grossem Eifer Pflanzungen in die neu erstellten Siedlungsstrukturen eingeplant. Selbst auf den sechs- oder achtspurigen Autobahnen fahrend erhält man den Eindruck, eine Parklandschaft zu durchqueren. Viele Hochbauten sind mit begrünten Fassaden versehen oder es wuchern auf Zwischenetagen in luftiger Höhe tropische Gärten. Im feuchtheissen Klima nahe beim Äquator gedeihen so in phantastischer Vielfalt Pflanzen aus aller Welt. Das Prunkstück dieser Gartenkultur stellt der Botanische Garten dar. Auf einer Fläche von beinahe einem Quadratkilometer werden tausende Pflanzenarten in thematischer Gliederung präsentiert. Ich stelle mir vor, dass keine Baumart des tropischen Gürtels der Erde hier fehlt. Jede Ecke scheint einem strengen Management und wissenschaftlicher Kontrolle zu unterliegen. Immer wieder wird in der Beschilderung auf die Bedeutung natürlicher Ressourcen und deren Schutz hingewiesen. Aber irgendwie staute sich in mir beim Lustwandeln durch diese Zauberwelt zunehmend ein Gefühl der Fremdheit auf. Es würde möglicherweise niemandem auffallen, wenn diese ganze Pracht aus lauter Plastik geschaffen worden wäre. Zu gut können heute Pflanzen imitiert werden. Wer hat nicht schon mit der Hand an Pflanzen greifen müssen, um sich zu vergewissern, dass sie nicht echt sind. Dieses Gefühl, eine künstliche Natur geschaffen zu haben, muss auch mal den Parkgestaltern aufgekommen sein. Nur durch Zufall entdeckt man beim Durchwandern ein Schild, das auf Natur „in echt“ hinweist. Auf einer winzigen Fläche von 110 Quadratmetern wird seit 5 Jahren eine ehemalige Rasenfläche nicht mehr regelmässig gemäht und der natürlichen Entwicklung überlassen. Mit wenigen Eingriffen wird verhindert, dass die Fläche offen bleibt und nicht zu einem Wald zuwächst. Es lohnt sich, diesen Text ganz zu lesen, aber der Satz „… Such lightly-maintained greenery has value for connecting people with nature…“ degradiert den ganzen restlichen Park zur künstlichen Inszenierung. Damit das nicht als masslose Übertreibung meinerseits stehen bleibt, erwähne ich hier die Anekdote, dass klein Nathan schon aufgefordert wurde, Pflanzen nicht zu berühren, um sich nicht schmutzig zu machen. Es gibt in Singapur halt keine Waldschulen. Hier hätten die Verantwortlichen des *Natural Park Boards* eine lohnende Bildungsaufgabe zu übernehmen. Verschiedene, grosse und naturnahe Flächen bis hin zu Primärwäldern böten sich dafür noch genug an. Wenn wie gesehen Teenies in ihren Schuluniformen einmal durch einen Parkwald gelotst werden, funktioniert die Kontaktaufnahme mit „Natur pur“ nicht mehr. Die Uniform muss ja sauber bleiben.