Löcher
Dass diesen Frühling hin und wieder ein gesetzter Lauch abgestorbene ist, kann man getrost hinnehmen, wenn man beim Graben sieht, dass eine Maus sich einen Gang zu den Wurzeln gegraben hat. Der Verlust ist verkraftbar. Es ist ja nicht so schlimm wie im letzten Winter, als eine dieser Wühlerinnen unterirdisch sich mehr als die Hälfte meiner Safranknollen als Winterspeck angefressen hat. Aber jetzt, wo nach Wochen ohne Regen das Gras vertrocknet ist, fallen Duzende von Löchern im Boden auf. Mein Nachbar Jean ist entsetzt und beginnt sich zu sorgen. Auch auf seinem Grundstück findet er „hunderte“ von Löchern und die Diskussion ist entbrannt, wer dafür verantwortlich sein kann. Solange er sich erinnern könne, hätte es das noch nie gesehen. Das umfasst immerhin eine Zeitspanne von mehr als achtzig Jahren. Ratten seien es vielleicht und er rechnet mir vor, mit welcher Kadenz sie sich vermehren können. Suzon, seine Partnerin aus Paris, vermutet eher schwarze *mulots*. Die frässen die Pflanzenwurzeln. Nach meinem Einwand, die schwarzen „Mäuse“ seien Insektenfresser und kämen dafür nicht in Frage, gibt sie mir den Auftrag, ich solle doch im Internet nachforschen, was es denn sein könnte. Die Auflösung der Konfusion: Ein *mulot* ist die graubraune Wühlmaus, die schwarzen Maulwürfe heissen auf französisch *taupe*.
Im Gartencenter sind mir nun bei den Schädlingsbekämpfungsmitteln die Giftschachteln mit dem Produktname *Taupes et mulots“ aufgefallen. Nicht verwunderlich also, dass man die beiden kleinen Schwanzträger nicht unterscheiden kann. Jean hat gedroht, eine grosse Packung einzukaufen.
Mich wundert bloss, weshalb jetzt plötzlich so viele Löcher gegraben werden. Auffällig ist, dass keine der typischen Erdhaufen sichtbar sind.
Meine (wissenschaftlich noch unverifizierte) Theorie: es könnte sich um eine einzelne einsame Wühlmaus handeln, die versucht, an eine immer seltenere saftige Wurzel zu kommen. Durch die bis in die Tiefe steinhart gewordenen Böden aber beginnt es ihr bald zu stinken, unterirdisch zur nächsten Wurzel zu graben. Also beginnt sie verzweifelt, oberirdisch mit einem neuen Grabversuch an einen weiteren Leckerbissen zu kommen.
Soll ich mit ihr Mitleid haben? Jean hat sicher keines. Gespannt bin ich auf das Resultat seiner grossangelegte Giftaktion. Wahrscheinlich wird das bloss ein Schuss in den Ofen.
