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Mitbewohner

Wer meint, ich lebte hier allein im Wald, täuscht sich. Ich erfreue mich nicht nur gelegentlicher Besuche „aus aller Welt“, auch aus der Nachbarschaft ergeben sich Sozialkontakte. Nicht nur das flüchtige „*ça va?“* mit anschliessendem kurzen Schwatz macht mein Leben weniger einsam, als es scheint. Vor allem auf das kleine Netz von Nachbarn ist Verlass. So wie jetzt, wo ich mit einer schmerzenden Hüfte flach liege, werde ich intensiv umsorgt. Und schnell kommt natürlich der Gedanke auf, ich hätte nur ein wenig Zuwendung gebraucht. Aber mit einem kürzeren rechten Bein, mit einer geflickten Achillessehne daran und wahrscheinlich fehlender Physiotherapie braucht es nur noch eine aussergewöhnliche Belastung des Bewegungsapparats und schon streikt etwas am anderen, linken Bein. Da braucht es keine überflüssigen Begründungen, die sich auf mein einsames Leben im Wald beziehen. Ich fühle mich nicht verloren auf der Welt. Es gibt aber nicht nur diese sehr erwünschten Gäste, hin und wieder bekomme ich auch Besuch von Mitwesen, die ich lieber auf Distanz halten möchte. Jeden Frühling versuchen Ameisen meine Küche zu entern, gegen die Invasion von Wespen konnte ich mich letztes Jahr nur mit viel Mühe erwehren und die Fledermäuse im Dachboden musste ich vorübergehen aussperren, bis ich wieder eine gutes einvernehmliches Auskommen gefunden haben. Aber ich versuche umso mehr auf der Aussenseite der Häuser mit möglichst viel Unordnung meine Umwelt mit den anderen Lebewesen zu teilen. So will ich, entgegen dem Ortsgebrauch und unter stillem Protest der *maçons*, dass das neue Mauerwerk immer wieder kleine Spalten offen lässt, die Pflanzen und Tieren Schutz bieten. Aber auch hier kämpfe ich mit einem Kompromiss, denn junge Eidechsen finden immer wieder einen Weg über die Schwelle ins Innere und müssen aufwendig wieder nach aussen komplimentiert werden. Die Elterntiere wohnen zwar gleich neben der Eingangstüre in den Öffnungen der brüchigen Mauer, aber sie haben wenigsten kapiert, dass sie sich besser aus meiner Küche fernhalten. Im anderen noch nicht renovierten Bau muss ich die Räume noch mit weiteren Tieren teilen. Ein Gartenrotschwanzpaar nistet regelmässig jedes Jahr in Nischen und auf Balken der noch fensterlosen Gemäuer. Ein paar Fledermäuse finden hier ein Ersatzrefugium und hin und wieder muss ich eine halb wild lebende Hauskatze verscheuchen. Aber ein Gemietze hat mich letzte Woche zusätzlich neugierig gemacht und tatsächlich finde ich unter gelagertem Isolationsmaterial ein pelziges Knäuel. Eine junge und schmale Katzenmutter hat sich während meinem Schweizaufenthalt auf einer Rolle von Hanfmatten wohlig eingerichtet. Drei Jungkätzchen blinzelten mir entgegen. Zwei getigerte und ein ganz schwarzes. Ich lerne daraus, dass ich schnell die noch offenen Eingänge zum Gebäude wenn auch nur provisorisch dicht machen muss. Und die Jungkatze soll sich überlegen, mit wie vielen verschiedenen Katern sie sich das nächste Mal gleichzeitig einlassen soll. Wobei das ja niemand andern was angeht...