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Urs im Wald

Corona 2: Von Experten und anderen wichtigen Mitspielern

Auf Twitter schimpft Elon Musk über Epidemiologen. Vor 10 Tagen haben zwei von ihnen, Prof. Althaus von der Uni Bern und Professor Salathé von der ETH Lausanne, auch in der Schweiz vorgerechnet, dass, wenn sich das Virus ungehemmt verbreiten kann, es in einem exponentiellen Wachstum von kleinen Zahlen aus in kurzer Zeit zu einer beängstigenden Bedrohung werden könne. Als Folge daraus könnten Millionen erkranken und 30000 allein in der Schweiz daran sterben. „Das sei reine Mathematik“. Auch wenn er offensichtlich nicht eine grosse universitäre Karriere vorzeigen kann, fällt Musk als Macher halt auf, dass Viren auch bei ungehemmtem Wachstum in der realen Welt schnell an Grenzen stossen. Da hilft auch keine professorale, „reine Mathematik“. Das Modell exponentiellen Wachstums allein versagt zur Erklärung der Entwicklung einer Pandemie. Die von den Epidemiologen präsentierte Kurve der Virenverbreitung zeigt denn auch alles andere als den Graph einer Exponentialfunktion. Dieser in aller Öffentlichkeit ausgetragene Streit zwischen Angehörigen von Eliten erheitert mich. Andererseits macht es mir Angst, wenn Professoren mit fraglichen Modellberechnungen unter dem Titel der Wissenschaftlichkeit den Bundesrat beraten und dieser dann eine halbe Volkswirtschaft mit Notrecht an die Wand fährt. Und gleichzeitig will ein Unternehmer mit beleidigenden Kommentaren seine ehrgeizigen wirtschaftlichen Pläne vor dem Zugriff der Staatsmacht retten. Vorerst hat Musk verloren. Sein Werk in Kalifornien steht still. Als Ratschlag an die Professoren könnte dienen, in ihren Tweets das Modell exponentiellen Wachstums nur als einen Faktor in einer ersten Phase der Entwicklung zu erwähnen. Dann wäre auch Elon Musk mit seinem Einwand, dass exponentielle Funktionen Grenzwerte haben (lang ist’s her, dass ich mich damit beschäftigen musste) und auf einer Zeitachse nicht in den Himmel wachsen, zufrieden. Ganz abgesehen davon, dass mit 8,8 Milliarden Menschen auf der Erde spätestens beim Erreichen dieser Zahl von Erkrankten das Wachstum zum abrupten Stillstand käme. Wie viel „reine Mathematik“ steckt in unseren Wissenschaftlern, die unser Leben immer mehr dominieren? Dass reduzierte Formulierungen à la Tweets eine spezielle Sorgfalt benötigen, ist mir schon lange aus der Arbeit in Werbung und Journalismus aufgefallen. Wenn es Stunden oder Tage Hirnarbeit braucht, um eine erfolgreiche und korrekte Headline zu formulieren, dann kann man sich vorstellen, dass Wissenschaftler in der ganzen Welt mit Tweets, die sie aus allen Lebenslagen im Minutentakt aus dem Ärmel schütteln, überfordert sind. Diese Formulierungen haben den Ärmel nie verlassen und kaum den Umweg übers Hirn genommen. Auf französisch sagt man: *ils pensent avec les pieds*. Damit will ich die höchst erfolgreichen und segensreichen Erkenntnisse moderner Wissenschaft keineswegs gering schätzen. Aber Wissenschaftler sollten beim Verlassen ihres Kompetenzbereichs und beim Auftritts aufs Glatteis der Kommunikation vorsichtiger sein. Denn sogar auch professionellen Kommunikatoren fällt die Arbeit unter Zeitdruck schwer. Das zeigt die Kommunikation des Bundesrates.

Corona 1: Frankreich im Krieg

Seit gestern Mittag 12.00 Uhr darf man in ganz Frankreich das Haus nur noch in zwingenden Fällen verlassen. Im Formular, das man ausgefüllt bei sich tragen muss, gelten nur fünf Gründe als Ausnahme: 100000 Polizisten sind aufgeboten, diese Massnahme durchzusetzen. *Monsieur le Président* hat dem Virus offiziell den Krieg erklärt und setzt damit alle Einwohner Frankreichs zwischen die Fronten. Dass das ernst genommen wird, zeigt sich daran, dass einzelne Unternehmen schon lange vor 12 Uhr dicht gemacht haben. Im Auchan gibt es keinen Zucker, kein Mehl und keine Kartoffeln mehr. Vor allem die Rayons mit verpackten Lebensmitteln sind leer. Die Menschen befürchten das Schlimmste. Da auch ich im Wald einen minimalen Kontakt zur realen Aussenwelt habe, bleibt mein Alltag von alldem nicht verschont. So habe ich meine Motorsäge letzten Donnerstag in die Reparatur geben müssen. Jetzt bleibt sie beim Händler auf unbestimmte Zeit versorgt. Nur noch Bauern werden auf telefonische Voranmeldung bedient. Ich muss mich neu organisieren. Und habe mehr Musse, mich über die Situation auch in der Schweiz über mehrere Medien zu informieren. Dabei geht mir des Öfteren die Galle hoch. Unisono stellt sich die ganze Welt hinter die getroffenen Massnahmen. Einige an prominenter Stelle Sitzende finden das alles übertrieben. Aber es werden immer weniger. Dass ich trotzdem sauer bin, liegt daran, dass zwar einiges unternommen wurde und auch ich halte mich an die Massnahmen. Aber so wie das Bessere der Feind des Guten ist, so ist das „Richtigere der Feind des Richtigen“. Nur der Zufall, dass mein Filius gerade in Singapur arbeitet, bringt mich dazu, die Situation dort mit unserer in Europa zu vergleichen. Und man sieht deutlich, dass dort einiges „richtiger“ gemacht wird. Am Dienstag morgen wurde der Marktplatz in Basel ab 6 Uhr von den Marktfahrern aufgebaut. Um 10 Uhr ist alles wieder verschwunden. Offensichtlich hat man aus der Perspektive des Rathauses gefunden, dass das eine Veranstaltungen mit mehr als 150 Personen sei. Derweil sich die Menschen halt im Migros Dreispitz um den Gemüsestand drängeln... Am selben Tag herrscht in Singapur reges Treiben, auch grenzüberschreitend: Beim Grenzübergang zu Malaysia gibt es am Dienstag Abend offensichtlich ein Gedränge bei der Einreise. Malaysia hat angekündigt, die Grenze zu schliessen. Malaysische Grenzgänger versuchen noch im sicheren Singapur zu landen, um dort weiterhin arbeiten zu können. Nicht Singapur schliesst die Grenzen, denn die Epidemie haben sie dort im Griff — aber auf den Import von Arbeitskräften und Lebensmitteln ist der Stadtstaat dringend angewiesen. Was macht denn Singapur so besser als viele andere? Ohne über alle Details informiert zu den, wage ich in den nächsten Blogeinträgen ein paar Gedanken dazu zu äussern. Und das Verhältnis der westlichen Gesellschaft zur Wissenschaft wird ein Thema sein. Auch wie die Kommunikation und der Journalismus im speziellen dazu steht, was Sprache mit uns macht und ob Denken und Glauben zusammen möglich sind. Das alles aus der Sicht eines „Generallaien“. Ich mute mir das solange zu, bis sich die Wissenschafter über Grundlegendes untereinander einig sind. So handelt der nächste Beitrag vom exponentiellen Wachstum. Experten bekämpfen sich gegenseitig erbittert mit bösen Worten, was exponentielles Wachstum mit der Pandemie zu tun haben könnte. Ich amüsiere mich als Laie köstlich.

Der nächste Winter kommt bestimmt

Auf einer ehemaligen kleinen Waldweide haben sich etwa ein Dutzend Birken den Lebensraum erobert und geteilt. Jetzt beginnen die ältesten unter ihnen zu zerfallen. Bevor sie von selbst umfallen und verfaulen, möchte ich von ihnen noch profitieren und sie zum Heizen nutzen. Schon ist die nächste Generation Bäume aus vorwiegend Eschen bereit. Es ist interessant, diesen stetigen Wandel, wenn auch nur für eine kurze Lebenszeit, im direkten Kontakt zu verfolgen — und auch zu beeinflussen. Bei den Birken bitte ich um Verständnis.

Die Eidgenossen halten sich tapfer

Vor drei Jahren habe ich als Uferschutz Erlen an den Bachrand gepflanzt. Kleine Pflänzlinge von nicht mal einem Meter Höhe aus einer Baumschule in der Schweiz. (Wo gibt es schon Bamschulen hier. Wenn man einen Baum braucht, holt man ihn aus dem Wald. Dort wachsen sie doch...) Inzwischen sind die meisten der ungefähr 30 gepflanzten zu prächtigen jungen Bäumen von schon über drei Meter Höhe herangewachsen. Letzte Woche konnten sie sich im Uferbereich bewähren. Die helftigen Regenfälle haben den sonst eher trägen Bach zu einem echten Wildwasser anschwellen lassen. Die Bäume haben gezittert, aber den Fluten standgehalten.
Das Wetter macht interessante Kapriolen. Früher Schneefall im November gefolgt von Hochwasser. Und jetzt kalte, aber sonnige Tage. Es wird langsam Zeit, dass die Türen dicht werden. Ich bleibe dran.

Der Winter hat gewonnen

Blick aus meinem Fenster heute Morgen Im Wettlauf mit der Zeit ist mir der Wintereinbruch zuvorgekommen. Meine Aussentüre ist noch nicht bereit. Aber die paar Zentimeter Nassschnee werden schnell wieder verschwinden. Dafür ist mein Ehrgeiz umso mehr angestachelt, meine erste Türe funktionstüchtig zu machen. Bei Innentemperaturen von 17 Grad am Morgen und 21 am Abend kann ich gut auch mit einem Provisorium überleben.