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Urs im Wald

Ein Providurium?

Es ist immer wieder eine Überlegung wert, ob im mühsamen und zeitraubenden Transformationsprozess eine schnelle provisorische oder eine langwierige dauerhafte Lösung die bessere Wahl ist. Hier für diese baie vitrée, die vom zweiten Haus mit dem Atelier auf den Balkongarten führt, habe ich mich für ein Provisorium entschieden. Es soll das einzige bleiben…

Warum einfach, wenn es auch mühsam geht

Heute habe ich mit dem letzten Eimer Lehm das Füllen der Wände beendet. Seit den ersten zaghaften Versuchen mit dem Material sind jetzt fünf Monate vergangen. Aber in den letzten vier Wochen habe ich mehr Lehmgemisch an die Wände gebracht als in den vorhergehenden vier Monaten. An den schon trockenen Stellen kann ich morgen mit dem Verputzen beginnen. Ich hoffe, dass mit der Routine auch damit eine Steigerung der Leistung einhergeht, denn ich schätze die noch zu bearbeitende Fläche auf 60m2. Bei einer Schichtdicke von ca. 5 mm braucht es dazu also 300 Liter Verputz. Dazu muss ich 200 Liter Sand auf eine Korngrösse von 1mm sieben. Und ungefähr 200 Liter Ton aus dem Lehm lösen. Zum Glück habe ich dazu schon genug Erfahrungen sammeln können.

Wie bestellt macht auch das Wetter mit. Kalte aber trockene Nächte und Sonne pur am Tag sind für die nächsten beiden Wochen in Aussicht gestellt. Und damit werden auch die letzten 50 Liter Wasser, die noch in den Wänden stecken, bald verschwunden sein. Hin und wieder denke ich an die Möglichkeit, dass man die Wände ja auch bloss mit Gipsplatten belegen könnte…

Weiter im Dreck

Langsam verschwinden die Holzstrukturen der Wände unter einer ersten Schicht Lehm. Aber es müssen noch weit mehr als hundert Eimer des Materials verarbeitet und appliziert werden — und zum Glück sieht mich niemand nach einem Tagwerk „Dreck“ mischen …

Als Abwechslung baue ich aber auch an anderen Ausbauschritten weiter. So bin ich ganz stolz auf die neue crédence über der cuisinière bestehend nur aus einer gewalzten Stahlplatte. 25 kg schwer, aber chic, finde ich.

Von 20 Zentimeter auf 20 Grad

Man hält es kaum für möglich : vor drei Wochen ist die Landschaft im Schnee versunken. Und jetzt sagt die Meteo einiges über 20 Grad voraus. Aber das sollte mich ja nicht kümmern. Noch gilt es, die letzten 20 Quadratmeter Wände mit Lehm zu füllen und das schöne Wetter schafft beste Voraussetzungen, mit einer Fahrt in den Wald immer wieder eine halbe Tonne Material zu schürfen. Es gilt noch ein paar mal zu fahren, bevor wieder schlechteres Wetter kommt. Im Bad und in der Toilette sind nun Decke, Boden und alle Wände fertig. Bereit, um den plombier zu empfangen. Ich verschicke ihm heute noch eine freundliche Einladung…

Das neue Rezept

Ich habe nun seit drei Monaten Lehm im Wald geschürft, ihn dann gereinigt und gesiebt, neu mit Sand gemischt und dann in verschiedenen Versionen in die Wände eingebracht. Von Beginn weg habe ich versucht, das Material in der Qualität möglichst dem im Handel erhältlichen anzugleichen. Davon bin ich abgekommen und habe mich nun für ein Verfahren entschieden, das bei geringerem Aufwand ein optimales Resultat erbringen soll. Bisher bin ich immer davon ausgegangen, dass Lehm ausschliesslich als Ablagerung von feinem Material entstanden ist: als Sediment im Wasser oder als Resultat von Windverfrachtungen. Das Material finde ich aber im Wald unter der Wurzelschicht praktisch ausschliesslich als Gemisch von grobem Geröll und feinen Bestandteilen. Die Geologen bezeichnen das offensichtlich als Geschiebelehm. In diesen Schichten sollen mineralische Vorgänge stattfinden, die als Verbraunung und Verlehmung bezeichnet werden. Mir bleibt das alles als Nichtgeologe ein Rätsel. Ich halte mich nun aber einfach an das, was sich mit der Erfahrung aus meiner Hände Arbeit ergeben hat. Die Franzosen reden sowieso nur unspezifisch von bâtir en terre (englisch auch bloss earth building) und nicht von Lehmbau.

Ich unterscheide nun im Aufbau der Wände drei Bearbeitungsstufen, für die ich jeweils eine angepasste Qualität von Lehmgemisch verwende. Zuerst presse ich das praktisch unbearbeitete Material aus dem Wald in die Lamellen der Holzstruktur, nur mit einem 10mm-Sieb von grobem Geröll getrennt und mit Stroh und Wasser vermischt. Nach einer längeren Trocknungszeit gleiche ich die Unregelmässigkeiten dieser ersten Schicht mit einem auf 3 mm verfeinerten Lehmgemisch aus. Für die letzte etwa 5mm dicke Putzschicht verwende ich das feinste Gemisch mit Ton.

Den Ton mit seinen mineralischen Partikeln von weniger als 2 Tausendstel Milimeter Korngrösse kann ich natürlich nicht mit einem Sieb von den grösseren Körnern trennen. Ich nutze daher die Eigenschaft dieser Partikel aus, dass sie mit Wasser aufgemischt nicht sofort absinken, sondern im Wasser schweben bleiben. Das Wasser mit diesen Schwebeteilchen giesse ich in Eimer und lasse es ein oder zwei Tage stehen. In dieser Zeit haben sich die schwebenden Teilchen abgesenkt und das nun klare Wasser kann abgegossen werden. Im Eimer bleibt eine etwa 10mm dicke Schicht von Ton zurück, wahrscheinlich auch mit einem Anteil von Schluff (grösser als 2 Tausendstel Millimeter).

Den nassen Ton vermische ich dann mit einem weiteren Anteil Bausand, auf 1mm gesiebt, und trage diesen „Mörtel“ als Deckschicht auf die angefeuchteten Wände auf, gleiche die Unebenheiten mit einer Bürste aus und sorge dann mit einer Glättekelle für eine mehr oder weniger feine glatte Oberfläche. Dann muss alles nur noch trocknen.