Es wird in der Geschlechterdiskussion nicht nur zu wenig genau hingeschaut und differenziert, es wird auch leichtfertig oder bewusst gemogelt. Es werden Begriffe verwechselt oder ausgetauscht. Oder mit scheinbar kleinen Begriffsverschiebungen oder unscharfen Definitionen wird ein Sachverhalt verzerrt, um Gleichheit herzustellen, wo es keine Gleichheit gibt.
„On ne naît pas femme, on le devient.“ Auch wenn die alte plakative Formel von Simone de Beauvoir als Provokation verstanden werden kann, so entbindet das nicht davon, in einer weiteren vertieften Untersuchung genau zu sein.
Da heute das biologische und soziale Geschlecht unterschieden wird, kann der Satz neu verstanden werden. Die Unterscheidung verpflichtet aber, ihr in weitergehenden Überlegungen auch konsequent treu zu bleiben. Denn wenn das soziale Geschlecht in viele Differenzierungen (60 bei Facebook) aufgefächert wird, so ist es plump und dreist, diese dann durch die beiden biologischen männlich und weiblich in der Geburtsurkunde oder im Pass zu ersetzen oder ein drittes juristisches wie „neutral“ zu fordern.
Mit dem heutigen Wissensstand muss nicht mehr eine Grauzone zwischen den biologischen Geschlechtern angenommen werden. Beim biologischen Geschlecht gibt es zwischen (oder neben) männlich und weiblich gar nix mehr, weder Hermaphroditen, Elfen oder Kentauren.
Der Trick, ich nenne das mal so, einem klar definierten Begriff eine neue Bedeutung unterzuschieben, wird im Kampf um Gleichheit viel verwendet. Er erlaubt, zum Beispiel die Abgrenzungen der biologischen Geschlechter zu verwedeln. So können Zustände uminterpretiert werden, um dann darauf Forderungen nach neuen Gleichheiten abzuleiten, wo es keine gibt.
Zwei Beispiele:
Ich habe nichts dagegen, wenn die Medizin als „weiche“ Naturwissenschaft betrieben wird. Mir sind mit Hilfe des Modells der Homöopathie zum Beispiel viele gesundheitliche Probleme erspart geblieben. Andererseits können viele Vorgänge im menschlichen Körper mit Naturwissenschaft eindeutig und zweifelsfrei erklärt werden.
So wird die in den ersten Schwangerschaftswochen angelegte Weichenstellung zu einem biologischen Geschlecht bestimmend für die weitere Entwicklung der Hormone. Bei Männern folgt der Spiegel des Hormons Testosteron vom Fötus über die Geburt, dem Säuglingsalter und der Pubertät bis hin zum erwachsenen und dann alten Mann einer bewegten Kurve. Nach dem Höhepunkt mit 17 Jahren zeigt die Kurve nun einen Verlauf, der nicht linear, aber kontinuierlich abwärts zeigt. Ein paar Mediziner wollen nun beobachtet haben, dass die Kurve zwischen 40 und 55 Jahren steil abfalle. Es ist mir schleierhaft, wie dieser Rückgang, wie steil er nun auch wirklich sein mag, dazu Anlass geben soll, dabei von den Wechseljahren des Mannes zu reden. Oder vom Klimakterium virile. Sogar der Ausdruck der Andropause wird dazu verwendet. Dabei gibt es überhaupt keinen Hinweis darauf, dass irgend ein Wechsel oder ein „klimaktér“ stattfindet, und schon gar keine Pause. Es handelt sich ganz einfach um einen Rückgang, der zu Beginn nach dem Höhepunkt leicht, in der Mitte des Verlaufs stärker und dann bis zum Lebensende wieder langsamer ausfällt. So wie natürliche Prozesse halt so verlaufen. Es gibt sicher für diese Art des Verlaufs einen wissenschaftlichen Namen. Und ich kann mir denken, dass der Hormonrückgang bei den Frauen nach dem gleichen Prinzip verläuft. Aber halt mit einem anderen Ende. Am Schluss ist hier ein Wechsel von fruchtbar zu unfruchtbar vollzogen, die Fruchtbarkeit ist über den „klimakter“ abgestiegen und die Pause bleibt bis zum Lebensende bestehen. Während im Gegendatz dazu der ältere Mann sich immer noch mit seinem restlichen Testosteron beschäftigen darf…
Man könnte mit dieser Dummheit, den männlichen Hormonverlauf dem weiblichen gleichzustellen, noch einigermassen leben. Fatalere Auswirkungen hat aber die Vermischung mit dem Phänomen der Midlifecrisis. Dieses psychosoziale Ereignis betrifft bekanntlich in unserer Gesellschaft ja vor allem Männer. Da es sich oft mit dem beschleunigten biologischen Altern zeitlich überlagert, sind gegenseitige Beeinflussungen beider „Leiden“ ja nicht auszuschliessen. Aber unsinnig wird es, mit medizinischen Eingriffen die Midlifecrisis bewältigen zu wollen. Eine Hormontherapie wird ja kaum Antworten auf die Sinnfrage liefern, Karriereängste mindern oder Partnerschaftsprobleme lösen.
Dieser an Männern betriebene Unsinn ist zwar nicht in der Gleichstellungsfrage direkt für politische Forderungen nützlich. Aber er führt zu einer Verunsicherung und Nivellierung der männlichen Identität. Und das wäre dann auch schon die halbe Miete.
In einem zweiten Beispiel für eine Begriffsmanipulation im Dienst von Genderfragen geht man schon direkter zur Sache.
Auch wenn die Reproduktionsfreiheit nicht unter den Menschenrechten erwähnt wird: die Freiheit zu wählen, ob man Nachkommen will, mit wem, mit welchen Mitteln und zu welchem Zeitpunkt, wie viele Kinder man will — diese Freiheit soll unbestritten sein. Aber dieser Freiheitsbegriff wird auch missbraucht.
Offensichtlich wird das in einem Aufsatz, den Frau Dr. iur. Andrea Büchler, Professorin für Privatrecht und Rechtsvergleichung an der Universität Zürich und Frau Dr. Bleisch, Philosophin und wissenschaftliche Mitarbeiterin an verschiedenen Universitäten, in der NZZ veröffentlicht haben. Das vom Bundesrat gestützte Verbot der Leihmutterschaft wird dort mit dem Hinweis bekämpft, dass es anmassend sei, das Verhalten von Wunscheltern und Leihmüttern, moralisch zu werten. Unter dem Untertitel „Reproduktionsfreiheit“ schreiben sie: „Besonderer Schutz gebührt dem Kind. Wenn der bundesrätliche Bericht festhält, die Eignung der Wunscheltern zur Elternschaft könne nicht überprüft werden, weshalb Leihmutterschaften die Adoptionsbestimmungen zum Schutz des Kindeswohls unterliefen, werden allerdings unterschiedliche Dinge verglichen. Bei der Adoption geht es um das Wohl bereits geborener Kinder, deren Chancen man bestmöglich ausgestalten möchte. Die Leihmutterschaft hingegen ist ein Verfahren, das auch infertilen Paaren Reproduktionsfreiheit zugesteht. Die Reproduktionsfreiheit anderer mit Eignungstests einzuschränken, ist nicht legitim.“
Unabhängig davon, ob die Begründungen des Bundesrates für ein Verbot der Leihmutterschaft stechen oder nicht: Die Leihmutterschaft ist kein Verfahren, das infertilen Paaren Reproduktionsfreiheit zugesteht. Denn infertile Paare sind nicht zur Reproduktion fähig. Sie sind infertil, unfruchtbar, eben reproduktionsunfähig. So wie bei einer Adoption nicht von einem Reproduktionsvorgang gesprochen werden kann, so führt auch eine Leihmutterschaft nicht zu einer Reproduktion, ausser das Kind entstammt aus den Keimzellen der zukünftigen Eltern.
Diese Verwechslung des biologischen Begriffs der Reproduktion mit dem sozialen der Elternschaft hat es in sich, wenn dann die Gleichstellung von hetero- mit homosexuellen Paaren gefordert wird. Ein bisschen mogeln und schon ist alles gleich. Wo bleibt hier die Moral?