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Urs im Wald

Die Scheisserchen sind geblieben

Vor der Renovation hat eine ganze Kolonie von Fledermäusen das kleine Gebäude auf drei Etagen bevölkert. Je nach Witterung und Temperatur sind sie durch die Treppenöffnungen von einer Etage in die andere gewechselt. Mit meinem Innenausbau habe ich ihnen nur noch den Zugang zum Estrich gelassen. Ich war mir deshalb nicht sicher, ob diese Bedingungen ihnen noch zusagen würden. Bei meinen Zügelmanövern habe ich nun zum ersten Mal wieder im Estrich nachgeschaut. Und siehe da: es türmen sich schon wieder die Kothaufen am Boden. Und durch meine Störung aufgeschreckt, fliegen sie in Gruppen abenteuerliche Flugmanöver gegen meinen Kopf. Offensichtlich bin ich nicht erwünscht. Aber ich werde meine Ansprüche mit einem vergitterten Abteil für mein Depot zu verteidigen wissen. Schliesslich will ich auch eine Gegenleistung dafür, dass ich ihnen jedes Jahr den Mist wegräume. Denn in zehn Jahren wäre der Kothaufen mehrere Zentimeter hoch. Nicht meine Vorstellung von einem Biotop im Haus.

Händchen halten

Endlich, nach langen Wochen mit fast täglichem Regen, zeigt sich die Sonne nun mit voller Macht und bringt so manche auf andere Gedanken.

Neben dem Plättlilegen (ich habe unterdessen ungefähr das dreihunderste appliziert) beschäftigen mich immer wieder andere Aufgaben. Dabei sollte ich ja immer den „kritischen Pfad“ im Auge behalten. Aber mittlerweile finde ich mich immer mehr auf verschlungenen Wegen wandelnd. Zu viele Dinge warten links und rechts auf ihre Vollendung. Zusätzlich werden ja die Unterhaltsarbeiten am Bestehenden immer wichtiger. Im Garten wächst das Unkraut. Die Pflanzen der Kläranlage erhalten noch kein Abwasser und müssen immer wieder bewässert werden. Im Wald müssen die letzten Meter der zerstörten Piste wieder hergestellt werden. Das letzten Herbst für den Pistenbau geschlagene Holz sollte ins Trockene. Die Wiesen möchte ich zumindest teilweise diesen Sommer mal mähen. Und auch die ersten Reparaturen oder Projektänderungen sind fällig. Das Regenwasserbecken ist nicht dicht und die Wasserleitungen versumpfen, weil sie nicht kontinuierlich abfallend verlegt sind und vor den Steigungen sich Sediment ablagert…

Dann kommt mir wieder der „kritische Pfad“ in den Sinn. Gleichzeitig mit der Organisation der zumindest provisorischen Ateliereinrichtung muss ich den eingelagerten Hausrat zügeln, damit der Platz für die nächste Bauetappe im zweiten Haus frei wird. Und nicht vergessen, frühzeitig den schon länger abgereisten maçon wieder motivieren. So gibt es immer viel zu tun. Nur fürs Händchen halten bleibt mir keine Zeit.

Rechne

Schon seit zwei Jahren werde ich immer wieder gefragt, wann ich denn gedenke, endlich in eines meiner Häuschen einzuziehen. Da ich schon ein oder zweimal davon gesprochen habe, vielleicht „im nächsten Herbst“ einzuziehen — es ist aber Winter, dann Frühling und sogar Sommer geworden. Und immer noch bewohne ich nur meine moderne Klause, wohin ich jeden Abend zum Schlafen zurückkehre. Es sind nicht nur die in das Projekt eingebundenen Dienstleister und Handwerker, die zu unvorhergesehenen Verzögerungen geführt haben. Ein grosser und schlecht kalkulierbarer Faktor bin ich selbst. Wie soll ich etwas planen, das ich zum ersten Mal in meinem Leben anpacke? Wie soll ich erst recht jene Teile der Renovation in einen Projektplan einbauen, die so noch niemand vorher realisiert hat, wie zum Beispiel der Aufbau der ersten Etage mit den Balken in Elementbautechnik? Oder was wird es heissen, alle Innenwände mit Lehm aus dem Wald aufzubauen? Deshalb sage ich ganz einfach nichts mehr über meinen Zügeltermin. Aber trotzdem mag ich den Spruch, dass der Weg das Ziel sei, nicht. Es würde ja bedeuten, dass mir gar nicht daran gelegen sei, möglichst bald zu zügeln. Das Gegenteil trifft zu. Ich brenne darauf, endlich mein Studio zu künden und in meine vier Wände im Wald einziehen zu können.

Dazu sind aber noch einige Arbeiten notwendig. Am Samstag habe ich mich nach längerer Vorbereitung an die ersten Plattenlegerarbeiten gemacht. In fünf Stunden ist es mir gelungen, den ersten Quadratmeter mit 40 Keramikplatten zu belegen. Jetzt stehen nur noch 800 Plättli für die restlichen 20 Quadratmeter bereit. Rechne…

Wasser, Wasser, Wasser

Seit Wochen regnet es praktisch jeden Tag. Nach einem meist sonnigen Morgen verdunkeln gegen Mittag Gewitterwolken den Himmel und die Schleusen öffnen sich. Wolkenbruchartig wird die Natur mit dem kostbaren Nass überschüttet. Das freut die einen. Obwohl sonst nur heimlich unterwegs, zeigen sie sich nun ungeniert oder flitzen über den Weg, wie dieser Salamander. Langsamer ist dieser sang-sue unterwegs. In den sonst eher trockenen Wiesen hüpfen plötzlich Frösche durchs Gras. Nur die Mauerbienen leiden. Von mir vernachlässigt steht ihr Bienenhotel im Regen und trieft von Wasser. Aber das naturnah operierende Hotelmanagement hat sich nach anderen, ruhigeren Gästen umgesehen. Kaum hat sich ein Gewitter jeweils verzogen, heizen wärmende Sonnenstrahlen die Mauer hinter dem Bienenhotel wieder auf. Erstaunlich schnell zeigen sich auch die Mauerbienen wieder und gehen ihrem Brutgeschäft halt dort nach, wo es noch trockene Plätze hat: in den tiefen Ritzen der alten Bruchsteinmauer.

Norme NF C 15-100

Die totale Elektrifizierung und Vernetzung jedes Lebensbereiches geht mir auf den Nerv: automatische Storen, programmierbare Toiletten und sprachgesteuerte Beleuchtung machen gesunde Menschen zu Tetraplegiker. Jeden Komfort geniessen und trotzdem keinen Finger rühren ist die Devise und dabei wird die Vorstellung vermittelt, die volle Kontrolle über alle Lebensbereiche zu haben — bis der Strom ausfällt. Und dann sieht man den Tag nicht mehr, weil die Storen unten sind. Die Toilette muss vom Kübel ersetzt werden und das Licht bleibt gar doppelt dunkel…

So wollte ich mich eigentlich „im Wald“ für den Hausbau auf wenige und einfache technische Einrichtungen beschränken. Denn es gibt durchaus Entwicklungen, die in die andere Richtung laufen: mehr Autonomie, mehr Sicherheit, mehr Flexibilität. Es war meine Vorstellung, die oberen Stockwerke der Häuser ganz ohne elektrische Installationen zu bauen. Nach einem arbeitsreichen Tagwerk, mit vollem Bauch und vielleicht noch mit den News im schläfrigen Kopf könnte man, um nach oben in die Federn zu steigen, sich ein tragbares Licht greifen. Keine Kerze, sondern eine LED mit Akku. Neben das Bett gestellt hätte man jederzeit alles griffbereit, was man braucht, um die Nacht mit allen Eventualitäten zu überstehen. Hätte man … Denn es gibt die norme française. Genauer die NF C 15-100. Sie schreibt vor, wie ein zu renovierendes Haus mit neuen elektrischen Installationen versehen werden muss. So müssen in der Küche nach dem Punkt 10.1.3.3.2 (16 Ampère Steckdosen) mindestens 6 Steckdosen auf einer Höhe ab Boden von ≤ 1.30m montiert werden, davon 4 bei der Arbeitsplatte. Für Küchen mit einer Fläche von ≤ 4 m² sind auch nur drei erlaubt. Jedes Zimmer verfügt über mindestens 3 Steckdosen. In unmittelbarer Nähe zum Lichtschalter, beim Eingang des Zimmer platziert, muss zusätzlich eine nicht geschaltete Steckdose angebracht werden.

Unter meinem Druck, sich auf das Notwendigste zu beschränken, hat der Elektriker im kleinen Zimmer nur 2 Steckdosen montiert. Hoffentlich gibt das keinen Ärger bei der Endabnahme durch den consuel. Aber in der Küche sind je eine Steckdose für den Elektroherd und die Geschirrwaschmaschine parat, obwohl es für beide Geräte gar keinen Platz hat. Das sollte ihn doch noch milde stimmen.