Langstreckenflüge sind nicht mein Ding. Aber summa summarum haben sich zwischen diesen beiden Flügen so viele wunderbare Erinnerungen angesammelt, dass ich sagen muss: es hat sich gelohnt.
Kurz vor dem Rückflug hat mir Jerline noch ein Fläschchen mit Zuckerwasser mitgegeben. Dummerweise habe ich nicht daran gedacht, dass Flüssigkeiten im Handgepäck nur offen deklariert und beschränkt zugelassen sind. Prompt bin ich am Security Check hängen geblieben und mit einem gezielten Griff tief in meinen Rucksack hat der Officer das Gläschen ans Tageslicht befördert. Aber nach einer kurzen Rückfrage beim Vorgesetzten war alles wieder in Ordnung. Meine Nachlässigkeit wurde nicht geahndet. Ich kenne Vorkommnisse an europäischen Flughäfen, wo es anders gelaufen wäre. Das ist zwar eine kleine Anekdote, aber durchaus typisch für Singapur. Die Gesetze haben den Zweck, das Zusammenleben zu organisieren und nicht, um es zu komplizieren. Vor allem auch im Zusammenhang mit den Covid-Massnahmen und dem Immigrationsprozedere hat uns das sehr erstaunt.
In diesen Wochen sind zwei Themen in der Presse aufgetaucht, die den Ruf Singapurs, als Diktatur bezeichnet zu werden, bei uns mitbegründen: das Verbot der Homosexualität und die Todesstrafe. Unter dem Druck, dass das Oberste Gericht das Gesetzt kippen könnte, das Homosexualität unter Strafe stellt, ist die Politik dem zuvorgekommen. Gleichzeitig aber sind neue Gesetze in parlamentarischer Vorbereitung, die die Ehe als Verbindung von Mann und Frau definieren und die darauf begründete Familie staatlich schützen und fördern werden. Damit wird die Möglichkeit der Gerichte, nochmals mit Gleichheit zu argumentieren, verhindert. Liebe ist eben nicht gleich Liebe — zumindest noch in Singapur.
Bei der Todesstrafe ist die Diskussion von einem Tweet Richard Bransons lanciert worden. Der zuständige Minister hat Branson offeriert, in einem öffentlichen Rededuell anzutreten. Branson hat abgelehnt, da TV-Duelle der Ernsthaftigkeit des Themas nicht angemessen seien. Der Minister hat diese Verweigerung als Eingeständnis fehlender Argumente gefeiert. Er stützt sich auf Umfragen, in denen die Bevölkerung Singapurs diese drakonische Strafform befürwortet. Es wird sich zeigen, ob die Generation von Nathan und Max dies immer noch so sehen wird.
Zurück zum Fläschchen mit Zuckerwasser.

Natürlich besteht der Inhalt nicht nur aus Wasser mit *Rock Sugar* (kristallisiertem Rohrzucker). Die Inhaltsangabe zählt neben Stabilisatoren noch das Wesentliche auf: *Bird‘s Nest*.
Jerline wollte es Jacqueline erklären, um was es sich bei *Bird’s Nest* handelt. Weil es in der Liste der Einfuhr von Lebensmitteln auftaucht, war ich vorgewarnt. In der Kurzform erklärt: Mauersegler aus dem Asiatischen Raum bauen sich ausschliesslich mit Hilfe ihres Speichels, und nicht wie in Europa noch mit Lehm, Nester für die Brutpflege. Gereinigt und sterilisiert finden diese Nester dann in der chinesischen Küche Eingang als Suppenbeilage oder in Desserts. In meinem Fläschchen schwimmen sie als weissliche Flocken im Zuckerwasser.
Ich wollte diese Kostbarkeit, ein Kilo ist bis zu 6000 Dollar wert, nicht alleine geniessen und habe nach der Rückkehr in Basel sie mit der Mitbewohnerin von Jacqueline verköstigt: süss im Geschmack zwar, aber gleichzeitig auch ungewohnt, irgendwie nicht beschreibbar, kurz fremd.
Es sind all diese kleinen Erfahrungen, die den Kurztrip in eine andere Kultur so wertvoll gemacht haben. Ermöglicht durch eine vor ein paar Jahren in Zürich geschlossene Freundschaft: Danke Jerline, danke Ben. Und Dank auch an Jacqueline.