ursimwald.ch

Urs im Wald

Das erste Fenster

Es lässt Licht in die Wohnung. Es lässt sich öffnen. Es lässt sich schliessen. Es ist dicht. Es isoliert. Ich habe Ausblick auf meinen Garten — und jetzt habe ich etwas Zusätzliches im Haus, das ich regelmässig putzen muss. Verflucht.

Endefeuer?

Seit acht Tagen sind alle Eingänge zum Wespennest von aussen versperrt. Somit kann die Brut nicht mehr versorgt werden und die dezimierte Truppe hatte nicht mehr die Energie, neue Kanäle zu graben. Trotzdem sind seither jeden Tag immer wieder etwa hundert neu geschlüpfte Wespen durch die Mauerritzen ins Innere der Wohnung entwichen. Der Dyson hat sich aber auch in der Wohnung im Luftkampf bewährt. Jetzt hoffe ich, dass der letzte Widerstand gebrochen ist. In ein paar Tagen werde ich die Innenverkleidungen entfernen und an dieser Stelle alle Ritzen der Steinmauer abdichten müssen. Eigentlich schade, dass diese kleveren Tierchen sich nicht mit mir vertragen haben. Sie haben ja eine äusserst interessante Lebensweise. Vor allem ihre Fortpflanzungstechnik mit einer genialen Spermakontrolle und mit dem Einsatz von Pheromonen hat mich beeindruckt: https://de.wikipedia.org/wiki/Gemeine_Wespe

Auch das noch

Als wäre ich nicht genug mit der Wespenabwehr beschäftigt: heute Sonntag Morgen um 8 Uhr flüstert jemand unter meinem Fenster „ur, ur, ur!“ Beim Nachschauen sehe ich Pascal mit einem Stock in der Hand. Die Kühe sind los! Das passiert immer, wenn es in der Weide für sie nichts mehr Saftiges zum Fressen gibt und sie irgendwo durch eine Lücke im Zaun, über den Bach und in den Garten finden. Zum Glück haben sie einen anderen Geschmack als ich und grasen friedlich die Wiesenflächen ab. Die Spargeln, der Salat, die Bohnen und der Fenchel bleiben mir erhalten. Zu dritt ist es uns gelungen, sie aus dem Garten heraus, über den Bach und zurück auf ihre Weide zu begleiten. Brave Kühe, oder halt eben Rinder. Und auf Wiedersehen auf dem Teller!

Naturnahes Bauen

Es war von Anfang an klar, dass es bei meinem Bauprojekt nicht nur darum geht, möglichst natürliche Baumaterialien zu verwenden, sondern auch den Jahrhunderte alten Bestand der Gemäuer zu respektieren. Auch wenn jetzt einzelne Mauerpartien mehr einer Schutthalde gleichen, so kann ich mich doch an jedem kleinen Pflänzchen freuen, das sich zwischen den Bruchsteinen festkrallen kann. Das ist nicht der lokale Standard bei Renovationsprojekten. Das alte zweischichtige Mauerwerk, in der Mitte mit toniger Erde ausgefüllt, wird normalerweise aussen mit einem Kalkverputz, der die Steine aber sichtbar lässt, und innen mit einem Zementspritzputz versiegelt. Das hat Vorteile und sieht am Schluss proper aus. Da muss ich mir halt schon hin und wieder Sprüche über meinen Wildwuchs rund um meine lebendigen Mauern anhören. Und diese Woche gab es sogar Grund für Schadenfreude: Eine Wespenkolonie hat sich in der Südfassade eingenistet. Zuerst habe ich versucht, die Wespen mit einer dicken Schicht Kalkmörtel am Zutritt zum Nest zu hindern, um sie so auszuhungern. Aber Kalk ist für Wespenkiefer offensichtlich kein Hindernis. Sehr schnell haben sie sich einen neuen Zugang geknabbert. Nur Schnellzement haben sie nicht knacken können. Aber tüchtig wie sie sind, haben sie unter dem Verputz immer wieder einen neuen Eingang durch die brüchige Fassade gefunden. Zu allem Überdruss sind sie dann durch die Widerstände aussen an der Wand ermutigt worden, ihr Glück nach innen zu suchen. Am dritten Tag der Auseinandersetzung bin ich am Morgen mit etwa hundert Wespen in der Küche aufgestanden. Es war offensichtlich, dass ich den Kampf auf ihrem Terrain verloren habe. Es musste eine neue Strategie her. Mein Nachbar hat mit Wespennestern Erfahrung. Er verwendet immer eine Spraydose, mit der ein Insektizid über mehrere Meter mit einem gewaltigen Nebelstoss in Richtung des Wespennestes gespritzt werden kann. Aber aussen an der Fassade appliziert hat es die fliegende Wespenhorde nur kurzzeitig verjagen können. Das Nest selbst ist ja in der Mauer geschützt und bald sind die Wespen wieder ungehindert mit ihren gefangenen Insekten in den Klauen zur Verpflegung der Brut angeflogen. Auch die chemische Kriegsführung hat also versagt. In der Küche habe ich die Wespen aus der Distanz mit einem Spritzer Waschmittel lahm gelegt und dann später eingetrocknet mit dem Dyson aufgenommen. Das hat mich auf die Idee gebracht, die Wespen direkt mit dem Luftsog des Saugrohres einzufangen. Aussen habe ich ihnen also einen Zugang zum Nest offen gelassen und das Saugrohr an der Öffnung zum Nest platziert. Beim Verlassen des Nestes krallen sich die Wespen so stark am Untergrund fest, dass auch die Saugkraft eines Dyson nicht ausreicht, sie einzusaugen. Aber beim Anflug schweben sie eine kurze Sekunde lang schwankend vor der Öffnung, bis sie absitzen, um dann sofort in den Mauerspalt zu entfliehen. Diesen Moment des Schwebens gilt es mit dem Starten des Dyson so zu koordinieren, dass mit dem schnell anschwellenden Luftstrom des Turbos die Wespe noch im Flug erwischt wird und mitsamt ihrer Beute im Sauger verschwindet. Ein dumpfes „Blupp“ ertönt dabei jeweils und bestätigt mir den erfolgreichen Einsatz. Oft folgen der ersten Wespe gleich eine oder zwei weitere ins Verderben, bis den anderen umherschwirrenden klar wird, dass da etwas mit dem Landeanflug der Kolleginnen schief gelaufen ist. Die Nervosität im Schwarm steigert sich dann erheblich und das Rohr wird heftig attackiert, aber nur etwa bis 30 cm von der Öffnung entfernt. Als Operateur am Drücker bleibe ich am anderen Ende des Rohres von den Angriffen verschont. Aber wichtig für Nachahmer: auf keinen Fall bewegen oder gar fuchteln. Somit wird man nicht als Feind erkannt und bleibt bis auf ein paar kleine Stiche am Rücken von weiterem Schaden bewahrt. Da die Batterie des Dyson nur eine begrenzte Einsatzzeit erlaubt, habe ich mehrere Kampfpausen zum Neuladen einlegen müssen. Aber nach zwei Tagen an der Wespenfront kann sich das Resultat nun sehen lassen. Die letzten Überlebenden haben sich heute Morgen in die Küche verwirrt. Jetzt ist wieder Ruhe eingekehrt und in ein paar Tagen kann ich dann die Fassade von den Zement- und Mörtelresten säubern und die Löcher an dieser Stelle mit einem neuen, jetzt dichten Verputz sichern. Ich dulde nur noch die friedlichen Mauerbienen im Gemäuer und die Fledermäuse unter dem Dach. Auch Naturnähe hat bei mir Grenzen. Beim Renovieren hat man nie ausgelernt, aber ich hätte mir schon am Anfang denken können, dass die modernen Kriege sich im Luftkampf entscheiden.

Heuet

Nach vier Jahren Wildwuchs wurde es Zeit, den Wiesen einen Schnitt zu verpassen. Es mussten zuerst alle Ginster und jungen Weissdornbüsche (?) entfernt werden und dann galt es, mit dem Fadenschneider und mit der Motorsichel nicht nur das neue Gras zu schneiden, es musste auch das Moos unter einer Schicht von abgestorbenem Gras des letzten Jahres entfernt werden. Heuen plus sozusagen. Noch ist die Ausrüstung improvisiert. Aber Heurechen kennt man hier nicht. Mit dem Material versuche ich, an den Waldrändern die Brombeerflächen zu begrenzen. Vielleicht funktioniert es.