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Urs im Wald

Ertappt

Ich gebe ja zu, dass seit dem Bezug des ersten Hauses ich nicht mehr acht oder zehn Stunden am Tag am Arbeiten bin. Seither fühle ich mich auch körperlich besser. Keine Gelenke, Sehnen, Muskeln oder andere überbeanspruchte Körperteile, die mir so Beschwerden machen. Und deswegen gilt es auch hin und wieder, bei meinem Nachbarn für einen Schwatz (und einen Schluck) auf seiner Terrasse (an der inoffiziellen Adresse *rue du Ricard*) einzukehren. Dass aber Google Street View das für alle Welt sichtbar dokumentieren muss, finde ich schon übergriffig ;-). Das muss man auch im hintersten Loch der France profonde wohnend heute offenbar akzeptieren. Ich hoffe nur, dass beim nächsten Google-Besuch in fünf Jahren dann wenigstens der Baufortschritt sichtbar wird. Trotz gelegentlichem Apero bei Jean und Suzon.

Nur kein Stress

Es fällt mir nicht leicht, mich jeweils zwischen den verschiedenen Baustellen zu entscheiden, wo es jeweils weitergehen soll: Auf den Wiesen heuen? Im Wald schon geschlagenes Holz holen? Innenwände verputzen? Das Atelier einräumen? Weitere Fenster bauen? Oder doch weiter am Sitzplatz arbeiten? Natürlich spielt bei dem Entscheid das Wetter eine Rolle. Und die Lust. Aber eigentlich sollte ich immer an einer Arbeit bleiben, bis sie fertig ist, um Fortschritte sichtbar zu machen. So kann es schon passieren, dass ich mich in etwas tagelang vertiefe und dabei vergesse, dass sich eigentlich etwas anderes aufdrängt. Das ist nun mit dem Unterhalt des Gartens passiert. Nach einer ersten Bohnenernte habe ich zulange mit der zweiten zugewartet. Resultat: 6 Kilo müssen auf einmal gesäubert und gedörrt werden. Jetzt ist der Dörrex im 24-Stundenbetrieb. Aber zumindest läuft mir durch diese Verzögerung die Arbeit am Sitzplatz nicht davon. Ein Gewitter macht zwischenzeitlich den Boden sowieso unbearbeitbar. Also alles wieder umplanen. Und vor allem kein Stress. Es findet alles einmal sein Ende.

Der Kontrast könnte nicht grösser sein

Heute Vormittag sind auf der Baustelle meines Nachbarn Frédéric 15 Kubikmeter Beton zu einer Decke seines neuen Hauses vergossen worden. Zack. Und ich beginne zu sinnieren, wie viele Stunden ich in den letzten drei Jahren mit meinem etwa gleich grossen Dreckhaufen verbracht habe, damit daraus einmal ein Sitzplatz wird. Aber eben: die Rechnung kann zwar schon nur mit dem jeweiligen Zeiteinsatz gemacht werden. Aber was bringt mehr Befriedigung? Das muss ich heute Abend noch mit mir ausmachen. Morgen geht’s (vielleicht) weiter.

Fertig! Das heisst fast …

Das ist sie nun: die Stützmauer, die den Hang des Sitzplatzes gegenüber der Strasse sichert. Auf drei Etagen jeweils 10, 8 und 6 Meter lang, gesamt 3 Meter hoch und mit einem Gesamtvolumen von 17 m3 hat sie mir einiges an Schweiss gekostet. Dass ich für diesen Bau einige Kubikmeter Sand und etwa 25 Säcke Zement verbraucht habe, hat mir hier von Trockenmauerfans zwar auch Kritik eingebracht. Aber die 15 Kubikmeter Steine habe ich alle aus der Schutthalde vor Ort ausgebuddelt und unverarbeitet mit dem Beton „zusammengeklebt“. Für einen Bau ohne Zement hätte ich ein Vielfaches an Rohmaterial gebraucht und dann nur mit gigantischem Aufwand für die Bearbeitung der Steine bezahlt. Vielleicht etwa ein Drittel der vorgefundenen Steine sind mal bearbeitet worden — wahrscheinlich noch zu einer Zeit, als das Steinmetzen unter einer Art von Sklavenarbeit verrichtet wurde. Mit der französischen Revolution sind nicht nur die Adligen einen Kopf kürzer geworden, sondern auch deren Schlösser und Burgen geschleift worden. Mit behauenen Steinen dieser Bauten sind dann die alten Mauern der Häuser zusammen mit naturbelassen Steinen mit einem Mörtel auf Kalkbasis aufgebaut worden. Das macht sie für Witterungseinflüsse empfindlich, vor allem wenn die Dächer nicht absolut dicht sind. Somit wird meine Zementmauer, den Witterungseinflüssen ausgesetzt, mit den Mauern der Häuser ums weitere Überleben wetteifern. So ein paar hundert Jahre könnte das schon dauern… Die Vollendung der Mauer habe ich mit einer Flasche Rosé mit meinem Nachbarn gefeiert. Aber fertig ist ja noch nichts: jetzt beginnt die Plackerei mit der Planierung des Sitzplatzes. Etwa 5 Kubikmeter Material am Boden müssen in die Bestandteile Erde, Kies und Bruchsteine umgewandelt werden. Erst dann kann ich mich auf einem neuen Sitzplatz in den Liegestuhl legen.. Wie immer setze ich mir dafür keinen Termin. So vermeide ich, enttäuscht zu werden

Erst mitten drin oder schon bald fertig?

Bei bisher jedem Projekt stellt sich bei mir jeweils die Frage, wie lange es noch dauert, bis ich endlich damit fertig bin. Wenn ich mir die verschiedenen Steinhaufen bei dieser Baustelle für eine Aussenterrasse ansehe, dann schwant mir schon, dass ich meine gesetzte Zeitlimite nicht erreiche. Aber immerhin weiss ich nun genau, wohin jeder Stein definitiv zu liegen kommt, nachdem ich ihn schon zweimal hin und her bewegt habe. Und deshalb steigt bei mir die Hoffnung, dass es diesmal reicht: bald fertig! Wobei: was heisst schon bald?