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Urs im Wald

Ein letzter Versuch

Mit der ersten Safranblüte, die sich heute gezeigt hat, startet der letzte Versuch, Safran in meinem von Wühlmäusen verseuchten Garten zu kultivieren. Sie stammt nicht von den vielleicht 400 Knollen, die ich in den letzten drei Jahren gesetzt habe. Jedes Jahr habe ich geglaubt, mit einer intensiven Jagd nach diesen eigentlich putzigen Pelzträgern den Safran retten zu können. Aber ihrer unterirdischen, heimlichen Lebensweise und ihrer Fruchtbarkeit konnte ich letztendlich nichts entgegensetzen. Von den gepflanzten Knollen sind in diesem Sommer nur noch wenige übrig geblieben. Aufgeben, oder es mit einer letzten Idee nochmals zu versuchen, ist die Devise.

Mit verschieden angeordneten Gittern habe ich nun eine Testanordnung aufgegleist, die den Mäusen den Zugriff auf die Delikatessen erschweren oder ganz verhindern soll. Mit der Totalvariante soll ein Gitter um jede einzelne Knolle einen maximalen Schutz sichern.

Derweil geht die Jagd mit drei gestellten Fallen weiter. Zwei bis drei Mäuse jede Woche kann ich so abernten. Aber das ist ja eigentlich nicht die Absicht der ganzen Übung. Nächstes Jahr werde ich Bilanz ziehen.

Schritt für Schritt

Bei grösseren Projekten fällt es mir schwer, eine Vorstellung für den Zeitplan zu entwickeln. Diese wilde südwestlich exponierte Seite meines Häuschens ist schon lange auf der Liste, um saniert zu werden. Der Auf- und Abstieg in den Keller ist vor allem im Winter ein kleines Abenteuer. Deshalb habe ich mir zum Ziel gesetzt, diesen Sommer mit Bauen anzufangen — und im besten Fall auch abzuschliessen. Gerodet ist schnell. Aber bis zum ersten Mäuerchen mit seinen zum Teil über 100 kg schweren Steinen dauert es schon länger, eben „einige Rücken“. Mit dem zweiten und dritten und der Treppe ist dann schon beinahe das Ende in Sicht. Aber von oben betrachtet sieht das halt anders aus. Ein etwa 20 m2 grosser Vorplatz muss noch ein Fundament erhalten und mit den auf der Baustelle herumliegenden Gesteinsplatten belegt werden. Jetzt, mit dem Ende des Sommers, kann ich hoffen, dass ich das doch noch Programm gemäss schaffe. Dann wartet eine grosse neue Etappe auf mich. Die ersten Vorarbeiten sind schon erledigt…

(Nur nebenbei: wer auf den Bildern den rechten Winkel vermisst, soll mir erklären, weshalb der rechte Winkel immer auch der richtige sein soll. Mein Nachbar Jean hat mir auch erklärt, weshalb die Mauern der Häuser nicht im Lot gebaut worden sind. Man hätte mangels Werkzeug beim Bauen zur Kontrolle von oben einfach der Mauer entlang nach unten gespuckt und vergessen, den Seitenwind zu berücksichtigen. Bei mir ist die Erklärung einfacher: ich kann es nicht besser.)

Meine neue Einheit

Gewöhnlich misst man den Aufwand für eine Arbeit in Einheiten der Zeit: Stunden, Tage oder Wochen. Bei der Arbeit an der neuen Stützmauer zähle ich aber anders.

Um diesen letzten Stein der Mauer neu zu platzieren, musste ich ihn ausbuddeln. Auf seiner Rückseite wurde eine Gravur sichtbar, die ihn als Sturz für einen Hauseingang ausweist: ein ganz spezielles Stück. Er wiegt über 400 Kilogramm. Die Entscheidung, ihn zu drehen, damit die Gravur nicht kopfsteht, fiel mir nicht leicht. Aber ich wollte, dass sie lesbar bleibt. Also musste er ganz aus seinem angestammten Platz herausgeholt, auf seine Füsse gestellt und noch um seine Achse gedreht werden.

Hier liegt er nun bereit, um wieder zurückgeschoben zu werden.

Dieses Manöver hat mich eine ganze meiner neuen Arbeitseinheiten gekostet. Ich nenne sie: ein Rücken. Immer wenn sich meiner mit Schmerzen meldet, höre ich auf und gehe unter die Dusche.

Die ganze Mauer wird mich mehr als ein Dutzend Rücken kosten. Besser aber zwölf gesunde Rücken als nur einen, aber kaputten.

Wem die Signatur „1790 + F + R“ zugeordnet werden kann, wird wahrscheinlich nie bekannt. Die Geschichte des Dorfes ist nur rudimentär dokumentiert. Doch die beiden Kreuze – stark vereinfacht, aber klar erkennbar – sind Varianten des Okzitanerkreuzes. Sie verraten, dass wir uns zwar am nördlichsten Rand, aber dennoch im Pays d’Oc befinden.

Ein Tag später…

… und alles ist ganz anders als gedacht.

Man erzählt sich hier, dass man vor hundert Jahren noch aus mehr als dreissig Kaminen hat Rauch aufsteigen sehen. Es müssen somit also etwa zwanzig Wohnhäuser mehr gestanden haben als heute. Von einem Haus an diesem Platz ist noch ein Kellerraum erhalten, hinter dieser Mauer versteckt und etwa 6m2 gross. Die Mauer, die ich für eine kleine Stützmauer gehalten habe, ist also Teil eines ehemaligen Wohnhauses. Zwei grosse Kalkplatten bilden das Kellergewölbe und sind auf der Mauer aufgestützt. Die Mauer neu zu bauen heisst, den Kellerraum dadurch zu zerstören. Mal schauen, wie ich dabei vorgehen muss, um nicht selbst Schaden zu nehmen. Irgend jemand muss diesen Keller mal zugebaut und bewusst nicht ganz aufgefüllt haben. Das besorge ich nun. Kellerräume habe ich genug.

Soll ich oder soll ich nicht?

Welches Projekt ich jeweils als Nächstes anpacken will, lasse ich mir nach Lust und Laune einfallen. In den letzten Wochen habe ich im Inneren des zweiten Hauses den Gewölbekeller frei gelegt.

Um einen ebenen Fussboden zu bilden ist das Gewölbe mit etwa 10 Kubikmeter Material zugedeckt gewesen, bestehend aus verschieden grossen Steinen, die wahrscheinlich zum Zeitpunkt des Baus mit feuchtem Lehm gebunden wurden. Mit der Zeit aber (wie lange das wohl her ist?) ist alles ausgetrocknet und hat keinen festen Untergrund mehr gebildet. Die Bodenplatten sind wie auf einer Gröllschicht „geschwommen“ und sind bei Belastung eingesunken. Deshalb musste alles raus, natürlich schön ausgesiebt und getrennt nach Qualität zur Wiederverwendung.

Ein paar Tonnen Steine liegen nun in der Mitte des Raumes auf dem Gewölbe. Etwa 20 m2 Bodenplatten werde ich draussen wieder auf dem Hof verlegen können und etwa drei Kubikmeter staubige Erde liegen im Garten und sichern das Bord zum Bach ab. Wie viel Staub ich bei all dieser Arbeit geschluckt habe, weiss ich nicht. Wie gut FFP2-Masken schützen, haben wir ja alle mal erfahren…

Wenn ich die Detailpläne der Inneneinrichtung fertig habe und die Kanalisationsrohre am richtigen Ort verlegt sind, werde ich den Gewölbekeller wieder mit den gelagerten Steinen zudecken. Jetzt aber mit einem mageren Beton gebunden.

Also auf zum nächsten Projekt. Eigentlich ist alles mit den Behörden vorbereitet, damit ich den Elektroanschluss ins Haus verlegt bekomme. Nun hat der zuständige Projektleiter letzte Woche mir angezeigt, wo das Fundament für den Elektrokasten gegossen werden soll. Nicht auf, sondern in diese Mauer.

Monsieur Roume meinte, ich solle von diesem Stein da ein Stück wegsägen und diese beiden auf die Seite schieben, dann hätte er Platz für das Fundament. Uff. Da liegen auch Steine drin, die gut und gerne 300 Kilo schwer sind.

Es hat ein paar Tage gebraucht bis ich mir im Klaren war, dass kein Unternehmen in den nächsten Tagen diese Arbeit mit schwerem Gerät erledigen kann und ich wollte den Termin für den Anschluss einfach nicht bis zum Nimmerleinstag hinausschieben lassen. Also was nun? Soll ich dieses Projekt selbst anfassen oder soll ich nicht? Mit im wahrsten Sinne blossen Händen.

Beim genauen Studium der Mauer ist mir auch aufgefallen, dass ein Grossteil dieser lose verlegten Steine sich offensichtlich durch eindringendes Wasser mit den Jahren langsam verschoben haben. Über kurz oder lang hätte die ganze Mauer also sowieso neu aufgebaut werden müssen. Ein Entscheid musste her. Projekt Nummer 99 war geboren: Ich mach’s. Hoffentlich bleibt der Rücken gesund.