ursimwald.ch

Urs im Wald

Alle sind ganz aufgeregt

Man bekommt das Schild im Fenster kaum zu Auge. Aber es ist offensichtlich, dass der Eigentümer das an mein Atelier angebaute Haus zu verkaufen gedenkt. Jetzt fragen sich alle in der Nachbarschaft, wer mal unsere kleine Gemeinschaft komplettieren wird. Es ist die letzte freie Liegenschaft. Es muss ein wagemutiger Investor sein, denn schon andere Renovationsvorhaben sind an den Vorschriften gescheitert. Abwarten.

Ça gratte …

*… et ça ne s’arrête pas !* hat mir neulich mein Nachbar Frédéric zugerufen. Tatsächlich bin ich hin und wieder irgendwo am Kratzen. Schon in den ersten Monaten hier musste ich den ganzen Garten umgraben. Es galt, mit einem kleinen Pickel den harten, steinigen und lehmigen Boden vor dem Sieben zuerst zu lockern. Dabei entstand dieses kratzende Geräusch. Und auch jetzt wieder kratze ich etwa 10m3 aufgeschütteten Schutt auf, um den Hang hinter dem Haus zur Strasse hin mit einer Mauer zu sichern. Dabei gewinne und sortiere ich fünf verschiedene Materialien: grosse, oft behauene Quader und Bruchsteine für den Bau der Mauern, faustgrosse Steine zur Hinterfüllung, Schotter für den Bodenbelag und ein feines Sand-Erde-Gemisch, das ich für den Garten verwenden kann. Natürlich habe ich mich im Zeitplan wieder gehörig verschätzt. Es ist mühsamer als ich dachte. Was soll’s. Das Wetter ist schön und heiss und abends bin ich müde — für ä tüüfe, gsunde Schlaaf. Am letzten Wochenende war ich bei Frédéric zu seinem 50. Geburtstag eingeladen. Eine seiner Schwestern hat mich allen Gästen vorgestellt und dabei ergibt sich immer das Problem mit meinem Vornamen. Urs, so etwa wie *ours* ausgesprochen, lässt die Franzosen jeweils ratlos und ungläubig zurück. Da die meisten der Gäste mich am Nachmittag schon beim Kratzen gesehen haben, habe ich ihnen erklärt, ich sei nicht der *ours brun* oder *ours polaire*, sondern eben der *ours gratteur*. Das war dann für sie einleuchtend und verständlich.

Lebende Mauern

Im Sommer, in der Abenddämmerung, ist es jetzt wieder faszinierend, den Fledermäusen zuzusehen, wie sie eng um die von der Sonne erwärmten Steinmauern kurven, um die dort fliegenden Insekten zu fangen. Aber, huch, da fliegen ja noch Mauersegler nicht nur um die Mauern, sondern in vollem Tempo bolzengerade in sie hinein. Nach einigen Minuten gibt die Mauer sie an der selben Stelle wieder frei. Die bis zu einem Meter dicken Aussenmauern wurden in zwei Schichten, einer äusseren und einer inneren, aufgebaut. In der Mitte dazwischen ist, wohl als eine Art Isolation, mit allerhand losem Material aufgefüllt worden. An vielen Stellen haben sich über die Jahrhunderte leere Räume gebildet. Beim Umbau habe ich schon Eierschalen oder Baumnüsse in dieser Zwischenschicht gefunden. Es müssen schon einige Tierarten diese Räume für ihre Bedürfnisse genutzt haben. So nun auch diese Mauersegler. Willkommen unter meinem Dach!

Bald befinde ich mich in einem Tropenwald

Seit bald zwei Wochen vergeht kein Tag, ohne dass nicht etwas Regen fällt. Aber am Vormittag gibt es immer reichlich Sonnenschein. Und so geht es auch weiter: Das Resultat zeigt sich in der Natur mit einer Fülle von Grün im Laub der Bäume und im Gras in den Wiesen. Da ich auf gewissen Partien zwei Jahre lang nichts geschnitten habe, können sich nur wenige Blumen durchsetzen. Wenn sich jetzt noch die Temperaturen erhöhen, werde ich mich bald in einer grünen Hölle wiederfinden. Oder vielleicht kommt alles auch ganz anders. Anpassen ist die Devise.

Jetzt brauche ich eine Pause

Nach beinahe drei Wochen immer gleicher Arbeit mit Lehm — Rohmaterial aus dem Wald kratzen, sieben, mischen und in die Struktur drücken — zeigen sich Ermüdungserscheinungen in den Gelenken. Aber die Wand steht. Jetzt müssen die zwei Tonnen Lehm erst mal austrocknen, um dann den Feinverputz anbringen zu können. In der Zwischenzeit bin ich jeden Tag daran, die dazu benötigten 100 Liter Lehm in kleinen Portionen mit meiner Aufschwemmethode aus dem Rohmaterial zu gewinnen. Zeit, um mich wieder anderen Arbeiten hinzuwenden. Es bleibt ja immer noch was zu tun…